Reformationstag 2014

Bei 497 fällt mir der Reformationstag 2014 ein. Heute vor 497 Jahren soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen haben. Der Beginn der Reformation. Etwas überschwänglich könnte man sagen: Der Gründungstag der evangelischen Kirche. Naja, das ist wohl etwas übertrieben, aber immerhin feiern evangelische Christen heute diesen Tag und machen sich – selbstverständlich, oder? – Gedanken darüber, was dieser Tag für uns bedeutet.

Ich bin der Meinung, wir sollten nicht uns oder unsere Kirche feiern. Das wäre überheblich gegenüber den Christen aus anderen Konfessionen. Vielmehr sollten wir diesen Tag zum Anlass nehmen um darüber nachzudenken, was Reformation heute bedeuten könnte. Die Reformatoren meinten, die Kirche müsse sich immer wieder erneuern. Aber was heißt das denn?

Was trägt mich im Leben?

Die Kirche, meinen Glauben immer wieder erneuern, bedeutet, dass ich mich immer wieder darauf ausrichte, was mich im Leben wirklich trägt. Für Martin Luther war das klar und eindeutig: Was mich im Leben trägt, dass ist Jesus Christus. Der Glaube an Jesus ist das Fundament meine Lebens. Der Reformationstag kann mir die Gelegenheit geben darüber nachzudenken, wie ich diesen Glauben an Jesus Christus leben und ausdrücken kann.

Unter anderem gehören dazu ganz bestimmte Texte und Lieder, die mich durch mein Leben begleiten. Texte, die ich vielleicht sogar auswendig gelernt habe. Bibelstellen, wie der Psalm 23, Gebete, wie das Vater unser, Lieder, wie “Von guten Mächten” von Dietrich Bonhoeffer.

Eine Aktion von Chrismon

Das evangelische Monatsmagazin Chrismon hat deshalb zum heutigen 497. Reformationstag eine Aktion gestartet. Die Aktion heißt “protestantisches Handgepäck”. Dabei fragt Chrismon, welche Lieblingstexte evangelische Christen haben, die ihnen Kraft geben und sie durch ihr Leben begleiten. Die Aktion findet ihr hier: „Mein protestantisches Handgepäck„. In der aktuellen Ausgabe des Magazins werden folgende fünf Texte genannt:

  1. Vater unser
  2. Psalm 23
  3. Doppelgebot der Liebe
  4. Lied “Von guten Mächten” von Dietrich Bonhoeffer
  5. Ein Zitat von Martin Luther

Ich frage mich allerdings, sind das protestantische Lieblingstexte? Sind die meisten davon nicht eher christliche Lieblingstexte? Ich vermute, auch Katholiken würden das Vater unser ganz vorne nennen. Die drei Bibeltexte sind ja wohl nicht “protestantisch” sondern allgemein christlich. Auch die Auswahl gerade dieser drei biblischen Texte dürfte nicht besonders protestantisch sein.

Der Text von Dietrich Bonhoeffer ist als Lied inzwischen soweit verbreitet, dass er sogar im katholischen Gesangbuch, dem Gotteslob, steht. Also offensichtlich ist das einzige protestantische an diesem Text, dass er von einem evangelischen Theologen stammt.

Der einzige im engeren Sinn protestantische Text ist das Zitat von Martin Luther. Ausgerechnet bei diesem Text bezweifle ich aber, dass er von vielen evangelischen Christen aus dem Gedächtnis zitiert werden kann.

Christliche Lieblingstexte

Ich halte eine solche Aktion unter der “protestantischen Überschrift” und am Reformationstag für reichlich verfehlt. Trotzdem könnte es eine Anregung sein, dass wir uns alle Gedanken darüber machen, was in unserem Leben wirklich trägt und wie wir das ausdrücken können. Ich habe gerade in schweren Lebenssituationen immer wieder erlebt, wie gut es tut, Texte und Lieder zu haben, über die man nicht mehr viel nachdenken muss, die einfach da sind, auch wenn man keine eigenen Worte mehr findet.

Ein Beispiel möchte ich gerne erzählen:
Ich war kürzlich in Frankreich. Neben unserer Gruppe war in der Unterkunft noch eine französische Familie, die offensichtlich etwas zu feiern hatte. Wir erkundigten uns. Tatsächlich, die Großeltern feierten ihren 50. Hochzeitstag. Wir gratulierten und verständigten uns auf französisch, deutsch, englisch und mit Händen und Füßen. Schließlich kam es dazu, dass wir eine kleine Segenszeremonie durchführten. Ich als evangelischer Pfarrer segnete das katholische Brautpaar und zum Schluss beteten wir – evangelische und katholische Christen, Deutsche und Franzosen – in unserer jeweiligen Muttersprache zusammen das Vater unser, das Notre Père. Ein erhebender “christlicher Moment”. Wohlbemerkt christlich, nicht protestantisch.

Meine persönlichen Lieblingstexte

Okay, vergiss einfach mal das “protestantisch”. Ich mache mir lieber Gedanken darüber, welche Texte mir für meinen Glauben besonders wichtig sind. Ich habe schon vor vielen Jahren eine Liste gemacht, mit Texten und Liedern, die Konfirmanden mindestens auswendig lernen sollten. Diese Liste habe ich mir heute noch mal angeschaut. Ich glaube, diese Texte würde ich heute wieder auswählen. Sicher gibt es noch andere, sicher ist der eine oder andere mal mehr und mal weniger wichtig, aber es sind für mich grundlegende Texte, die ausdrücken, was mich im Leben trägt.

Meine christlichen Lieblingstexte sind:

  1. Vater unser
  2. Die zehn Gebote
  3. Psalm 23: Der HERR ist mein Hirte…
  4. 1. Korinther 13: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
  5. Glaubensbekenntnis
  6. Einsetzungsworte des Abendmahls
  7. Taufbefehl
  8. Seligpreisungen
  9. Evangelisches Gesangbuch, Lied Nr. 376: So nimm denn meine Hände…
  10. Evangelisches Gesangbuch, Lied Nr. 44: O du fröhliche…
  11. Evangelisches Gesangbuch, Lied Nr. 200: Ich bin getauft auf deinen Namen…

Fällt dir was auf? Kein einziger dieser Texte kann als “protestantisch” bezeichnet werden. Es sind alles “christliche” Texte. Alle können sie gemeinsam von Christen verschiedener Konfessionen gesprochen oder gesungen werden

Mein protestantischer Lieblingstext

Aber weil heute die evangelische Kirche ihren 497. Geburtstag feiert, habe ich die Liste doch noch etwas erweitert. Einer meiner wirklich protestantischen Lieblingstexte ist das Lied von Martin Luther: Ein feste Burg ist unser Gott. Ich weiß, dass dieses Lied als protestantisches Kampflied und auch in weltlichen Zusammenhängen in den letzten fast fünfhundert Jahre vielfach missbraucht wurde. Für mich persönlich ist es aber ein Lied voller Hoffnung und Gottvertrauen. Und auf Hoffnung und Gottvertrauen sollten wir auch immer wieder unsere Kirche bauen. Der Glaube an Jesus Christus gibt uns die Hoffnung, dass Gott seine Kirche auf Erden täglich neu macht (reformiert).

Weitere Informationen und den Text von „Ein feste Burg ist unser Gott“ findest du auf wikipedia und auf liederlexikon.de.

Übrigens: Chrismon ist ein evangelisches Monatsmagazin, das es online (www.chrismon.de), als Beilage zu Wochenzeitschriften und im Abonnement gibt. Auch wenn ich die aktuelle Aktion nicht besonders mag, so ist Chrismon doch eine Zeitschrift, die immer wieder tolle Artikel bringt. Vielleicht schaust du dir sie ja mal an. (Die Bildrechte liegen auch bei Chrismon).

Lechajim – für das Leben!
Mit herzlichen Grüßen und bleibt von Gott behütet!
Uwe